ICH SEHE: Einen kleinen Erlenwald an einem Bach in der Niederung zur Ems, unterhalb des Wanderweges. Typische Stelzwurzeln, Seggen und Sumpfpflanzen in der Krautschicht weisen auf den Erlenwald hin.
Dem kleinen Bach in der Emsniederung folgen Wanderer den wunderschönen Wegen durch das Natura 2000 Schutzgebiet der Emsauen. Hier in der Niederung stoßen sie auf einen typischen Erlenbruchwald, mit seinen Seggen und duftender Wasserminze. Solche Erlenbruchwälder sind aufgrund eines Mosaiks kleinflächiger Biotope sehr artenreich und ökologisch besonders wertvoll. Schön anzusehen sind vom Wanderweg aus auch die Stelzwurzeln der Erlen (Alnus glutinosa). Sie sind typisch, wenn durch Überstauung die Wurzeln "eine Etage" höher gelegt werden. Dank ihrer „Adventivwurzeln“ kann die Erle selbst langfristige Überstauungen viel besser tolerieren als andere Laubbäume. Die Sedimente zwischen den Wurzeln werden bei schwankendem Wasserstand stetig weggespült. So bildet die Erle immer wieder neue Wurzeletagen aus. Die feinen, freiliegenden Wurzeln der Erlen sind auffällig: Sie nehmen eine rötliche Färbung an. Genau wie das Holz frisch geschnittener Erlen. Es hat ebenfalls eine wunderschöne rötliche Färbung, die das Erlenholz für die Möbelherstellung begehrlich macht.
Die rote Farbe zusammen mit dem „Bluten“ des frisch gefällten Holzstumpfes und besonders der sumpfige, unheimliche Standort der Erle war früher Anlass dafür, dass sie mit Hexen und Teufelei in Verbindung gebracht wurden. Deshalb sollten die Wanderer im Naturpark die Erle fürchten, wenn sie am Knotenpunkt 43 weiter dem Wanderweg folgen und dabei auf den Erlenbruchwald treffen: Im Morast des Erlenbruchs lebt dem alten Volksglauben nach das Erlenweib. Dort versucht es bei Dunkelheit und Nebel mit viel Hinterlist und Tücke den Wanderer in den Sumpf zu locken.
Goethes berühmter Erlkönig spiegelt genau diese düstere Stimmung wider. Allerdings bezieht sich der berühmte Dichter dabei auf den dänischen Elfenkönig, der als Erlkönig übersetzt wurde. In der Geschichte um den jungen Oluf, geht es um einen Liebenden, der auf dem Weg zu seiner Hochzeit von der Tochter des Elfenkönigs zum Tanz aufgefordert wird. Er widersetzt sich und zahlt dafür mit seinem Leben. Dem Wanderer im Naturpark sei dieses Schicksal erspart, denn tatsächlich geht natürlich von der Erle keine Gefahr aus. Es sei denn, er ist im zeitigen Frühjahr unterwegs und gegen Erlenpollen allergisch.
Die Erle ist ein faszinierender Baum, der sich speziell an die nassen Lebensbedingungen in der Aue oder im Niedermoor angepasst hat. Dazu lebt er in einer sehr effektiven Symbiose mit stickstoff-fixierenden Knöllchenbakterien. Dies befähigt Erlen selbst in nährstoffarmen Gebieten, an Gewässerrändern und Auen zu siedeln. Oft werden sie zur Uferbefestigung an Fließgewässern angepflanzt. In nassen, wiedervernässten Niedermooren gilt sie als eine Pionierart, die sich für die Paludikultur eignet. Eine Besonderheit besitzt sie noch: Sie ist der einzige Laubbaum, der zäpfchenartige Fruchtstände ausbildet, die über den Winter am Baum bleiben. Nur Nadelbäume haben ebenfalls Zapfen.
Dem Wanderer ist also geraten, sich lieber nicht zu viele gruselige Gedanken zu machen und sich stattdessen von dieser faszinierenden Baumart in den Bann ziehen zu lassen.