Eine Emsländerin mit großer Seele

Elisabeth Schmitz – Geschichtenweberin, Künstlerin und engagierte Lebensgestalterin

Elisabeth Schmitz – Geschichtenweberin, Künstlerin und engagierte Lebensgestalterin

Papenburg - Wer Elisabeth Schmitz begegnet, betritt eine Welt zwischen Fantasie und Wirklichkeit, zwischen Märchenzauber und gesellschaftlichem Engagement. Ihre Heimat ist Papenburg – ihr Herz aber gehört dem Emsland, den Menschen, der Natur und den Geschichten, die diese Region seit Jahrhunderten prägen. Mit 73 Jahren blickt sie auf ein Leben zurück, das erfüllt ist von Kreativität, sozialem Einsatz und einer tiefen Verbundenheit mit den Wurzeln ihrer Heimat.

Schon beim ersten Schritt durch ihren Garten glaubt man, ein Tor in eine andere Welt zu durchschreiten. Zwischen blühenden Pflanzen, moosbedeckten Figuren und kleinen, märchenhaften Szenen entfaltet sich das, was sie „meine Ruhezone“ nennt. „Wenn ich hier bin, habe ich die Hände in der Erde und bin ganz ruhig“, sagt sie. Ein symbolischer Wasserlauf aus blühendem Wasserlauch zieht sich durch ihr grünes Paradies – und wie alles bei Elisabeth, hat auch dieser Fluss seine Geschichte.

Ihre Märchen sind keine bloße Unterhaltung – sie sind gelebte Erinnerung, gewoben aus Kindheit, Naturbeobachtung und dem festen Glauben an das Gute. „Ich bin geboren, um zu helfen“, sagt sie. „Und ich glaube ganz fest daran, dass jede gute Tat irgendwann zu dir zurückkommt.“

Schon als Kind im katholisch geprägten Papenburg lauschte sie mit leuchtenden Augen den Geschichten ihrer Eltern und Tanten. „Das Moor, der Nebel – das regt die Fantasie der Menschen an“, sagt sie mit einem Lächeln. Ihr Vater, Heinrich Schmitz, war Torfstecher, und oft begleitete das aufgeweckte Mädchen ihn ins Moor. In ihrer Familie erzählte man sich viele Geschichten– wie die von Jacob, ihrem Großvater, einem holländischen Arbeiter, der nach dem Krieg in der Papenburger Glashütte arbeitete:

Im Herbst 1948 kehrt Jacob spät abends von der Arbeit zurück. Es ist eine schwere Zeit, aber seine Familie – sieben Kinder mit seiner Frau Anni – gibt ihm Halt. Auf dem Heimweg durch ein kleines Wäldchen hört er plötzlich eine klare Frauenstimme, die das „Ave Maria“ singt. Die Melodie ist so ergreifend, dass er niederkniet und andächtig lauscht. Als das Lied endet, ruft er: „Hallo? Ist da jemand?“ Doch niemand antwortet. Zuhause wiegelt seine Frau ab: „Jacob, du bist überarbeitet. Erzähl das bloß niemandem weiter – sonst schicken sie dich gleich zum Arzt.“ Jacob schweigt – aus Angst, für verrückt gehalten zu werden. Jahre später wird genau an dieser Stelle die Marienkirche gebaut. Und Jacob weiß tief in sich: Hier ist ihm etwas Heiliges begegnet. „Ich glaube, dass Maria selbst dort gesungen hat“, sagte er später.

Ob er nun tatsächlich die heilige Jungfrau hörte, mag jeder selbst entscheiden – aber es bleibt ein bewegender Moment.

Auch Elisabeths Mutter Wilhelmine war eine prägende Figur. Während der NS-Zeit arbeitete Wilhelmine in einer kleinen Schlachterei am Obenende – und war dort verantwortlich für die Fleischpakete, die in das nahegelegene Emslandlager geschickt wurden. Mit kleinen Gesten – „ein bisschen mehr Fleisch in Kiste fürs die Lagerinsassen“ – trat sie der Unmenschlichkeit entgegen. Zivilcourage in ihrer stillen Form.
Sie vermittelte ihrer Tochter ein tiefes Verantwortungsgefühl: „Diese Geschichten dürfen nicht vergessen werden. Die jungen Leute sollen wissen, dass so etwas nie wieder passieren darf. “Und sie zeigte ihrer Tochter, dass man mit Witz und Mut das Richtige tun kann, indem sie ihr eine Geschichte erzählte, wie ihr Mann Heinrich als Kind mit Hilfe seiner Familie einen Dieb überlistet hat:


Papenburg, 1919. Die Not ist groß. Harm hat Buchweizen gesät, um seine Familie zu ernähren. Doch über Nacht machen sich Diebe am Feld zu schaffen. Seine drei Söhne – Jan, Harm (Anm. d. Red.: Im Emsland war es üblich, dem ältesten Sohn denselben Vornamen wie dem Vater zu geben – so weiß man gleich, wo man hingehört) – und Hinnerk schmieden einen Plan. Mit einem selbstgebastelten „Teufel“, gebaut aus einem Kohlkopf mit roten Hörnern, einer Decke und einem alten Torfsticker, verstecken sie sich im Feld. Als sie das Rumpeln eines Leiterwagens hören, springt Hinnerk hervor und ruft mit dröhnender Stimme: „Das Buchweizenfeld gehört mir! Wenn du etwas holst, dann hole ich dich!“ Die Diebe flüchten panisch, dachten sie doch, der Leibhaftige wäre hinter ihnen her – und das Feld bleibt fortan unangetastet. Den Leiterwagen behalten die Brüder als Entschädigung.

„Das war schlau, was die Jungs da gemacht haben“, hieß es später am Obenende. Und: „So sind sie, die Papenburger – mit dem Kopf voller Ideen und dem Herz am rechten Fleck.“ 

Mit genau diesem Herz und klarem Blick fürs Wesentliche gestaltet auch Elisabeth ihr Leben. Als alleinerziehende Mutter gründete sie 1981 gemeinsam mit ihrer Schwester den „Verein Alleinerziehender Mütter und Väter“ in Papenburg. „Ohne meine Eltern hätte ich das nicht geschafft“, sagt sie. Mit Unterstützung von Jugendämtern, Frauenhäusern – und Persönlichkeiten wie Rudolf Seiters – verhalf sie vielen Frauen zu einem neuen Anfang.

Und wenn dann noch Zeit bleibt, malt und bastelt sie, gestaltet Installationen für ihren Garten, illustriert ihre Geschichten – und liest sie bei Kaffee und Kuchen vor. Ihre Lesungen im Bürgerzentrum, in der alten Drostei oder auf kleinen Veranstaltungen im Emsland sind beliebt. Sie schafft es, Jung und Alt gleichermaßen zu verzaubern. Kinder bringen ihr gemalte Bilder, Erwachsene danken ihr für die kleinen Aha-Momente.

Ihr Netzwerk aus Künstlerinnen, Autorinnen und Verlagen wächst stetig – doch Elisabeth stellt nie sich selbst in den Mittelpunkt. „Es geht mir um Gemeinschaft, um Austausch. Um das Miteinander.“

In ihrem Roman „... denn alles ist vorherbestimmt“ verarbeitet sie ihre spirituelle Sicht auf die Welt. Zwei Frauen sterben plötzlich – und begleiten als Lichtwesen ihre Angehörigen durchs Leben. Einfühlsam beschreibt sie schamanische Reisen, den Kontakt zu Ahnen und Schutzgeistern. „Ich wollte zeigen, dass es weitergeht. Wer beschützt uns? Unsere Ahnen? Engel? Vielleicht ist es genau so, wie ich’s geschrieben hab“, sagt sie leise.

Auch ihr zweites Buch „Shimasaní: … die, die heilt“ führt tief hinein in spirituelle Welten. Tina Weber, Ehefrau, Mutter und Adoptivmutter, erlebt einen Schicksalsschlag. Hilfe kommt aus einer anderen Welt: von der Schamanin Shimasaní und der Alten Göttin Holle. „Atʼah yáʼáhootʼééh“ – Bleibe gesund –, heißt es dort. Und das ist keine Floskel, sondern eine Lebenshaltung.

Elisabeth Schmitz ist vieles: Märchenerzählerin, Autorin, Künstlerin, soziale Aktivistin – aber vor allem ein Mensch mit großer Seele. Ihre Geschichten wurzeln im Emsland, in der Geschichte ihrer Familie, in Natur und Glauben – und doch haben sie universelle Kraft.
Wer ihr begegnet, spürt: Hier spricht eine, die etwas zu sagen hat. Eine, die zuhört, hilft, erzählt – und die Emslandliebe nicht nur lebt, sondern weiterträgt.
Oder wie sie selbst sagt:
„Das Leben ist wie ein Märchen – man muss nur die Augen aufmachen, dann kann man die Wunder auch sehen.“

Emslandliebe – Gestern. Heute. Morgen.
Das Themenjahr 2025 rund um das Jubiläum „75 Jahre Emslandplan“ ist eine Serie aus Erzählungen in Kooperation mit der Emsländischen Landschaft, der Emsland Tourismus GmbH und des Emsland-Kuriers. 

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Felicitas Erhardt
13. April 2025